Gnade

Ich glaube, dass es das Schicksal des Abendlandes ist, die kritisch rationale, verstehen wollende auf der einen Seite und die mystisch irrationale, das erlösende Einheitserlebnis suchende auf der anderen Seite immer wieder in Verbindung miteinander zu bringen. In der Seele des Menschen werden immer beide Haltungen wohnen, und die eine wird stets die andere als Keim ihres Gegenteils schon in sich tragen. Dadurch entsteht eine Art dialektischer Prozess, von dem wir nicht wissen, wohin er führt. Ich glaube, als Abendländer müssen wir uns diesem Prozess anvertrauen und das Gegensatzpaar als komplementär anerkennen. Indem wir die Spannung der Gegensätze bestehen lassen, müssen wir auch anerkennen, dass wir auf jedem Erkenntnis- oder Erlösungsweg von Faktoren abhängen, die außerhalb unserer Kontrolle sind und die die religiöse Sprache stets als Gnade bezeichnet hat.

Wolfgang Pauli 1954

Geometrie und Illusion

Von Einstein, Pythagoras und Gauß,
von Riemann und Euklid.
Vom Flachen hin zum Bogen,
von Absolut und Relativ.

Oh Augen, seid am Ende ihr betrogen?
Ist die Gerade etwa schief?
Machst Du, Magie, den Raum zu Zeit,
hälst Du noch mehr für mich bereit?

Es saugt Dein Geist an meiner Sphäre,
Dein Wissen gibt Dir große Ehre,
die Wahrheit doch, die Wahrheit bleibt
für Dich, Du Mensch, Chimäre.

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Diese Skulptur verweist auf die Entwicklung der Geometrie. Auf dem Sockel ist ein euklidisches Dreieck in der Ebene abgebildet, bei der die Summe der Innenwinkel 180° beträgt. Anders sind die Verhältnisse bei der riemannschen nichteuklidischen Geometrie einer Kugeloberfläche. Anschnitte einer Kugel sind an der Spitze der Skulptur zu sehen. Die goldenen Linien zeigen zwei Längen­grade, die den angedeuteten Äquator in einem Winkel von 90° schneiden. Das entsprechende sphärische Dreieck hätte dann eine Innenwinkel­summe, die um 180° größer ist, als der Winkel zwischen den sich auf der Spitze der Skulptur schneidenden Längengraden – eine intrinsische Eigenschaft der Krümmung, nicht nur einer Kugel, sondern allgemein. Betrachtet man das erste Bild, erscheint die Krümmung des vom Betrachter aus gesehenen linken Flügels zur Mitte hin verlaufend, dabei ist der Flügel genauso gestaltet wie der rechte, dessen Krümmung zentrifugal verläuft. Alle drei Flügel haben in Wahrheit die gleiche nach außen gerichtete Krümmung. Dieses Phänomen wird besonders deutlich, wenn die Skulptur in Rotation versetzt wird, angedeutet durch die Bilderfolge. Das heißt, die Wahrnehmung der Krümmung hängt von dem Bezugspunkt des Betrachters ab – sie ist also relativ und kann tatsächlich eine Illusion erzeugen …

Homo quantus

Informationsevolution über binär zu Quanten, Mensch und Roboter, getrieben von big data, die Quantennatur bleibt das unergründliche Mysterium des Lebens …

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Diese Skulptur soll eine Möglichkeit des Evolutionsprozesses darstellen – vom pelzigen Vorfahren hin zu Homo sapiens und weiter zum roboterähnlichen Homo quantus. Hierbei spielt die Informationsübertragung eine große Rolle von Binärsystemen (0/1) hin zur (heute immer wichtiger werdenden) Quantenphysik, symbolisiert durch den griechischen Buchstaben psi in Schrödingers berühmter Wellenfunktion, eine der wichtigsten Gleichungen in der Quantenphysik. Die Quantenwelt, die Welt der subatomaren Teilchen, ist unglaublich merkwürdig, faszinierend und mit dem heutigen Intellekt kaum zu verstehen. Wir wissen nicht, was abläuft, wenn wir nicht messen. Superposition (ein Teilchen kann sich gleichzeitig in zwei unterschiedlichen Zuständen befinden) und Verschränkung (zwei Teilchen stehen miteinander in Verbindung, egal wie weit sie voneinander entfernt sind – die einsteinische spukhafte Fernwirkung) sind nur zwei dieser fantastischen Phänomene aus der Quantenwelt, ohne die es kein Handy und keinen Computer geben würde …

Misericordia

Die Skulptur „Misericordia“ stellt unser Gehirn und schützende Hände über dem Fegefeuer als Ausdruck des Weltenbrandes dar. Vielleicht – um mit Lev Kopelev zu sprechen – müssen wir uns mehr der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, der Sehnsucht nach Brüderlichkeit und weniger der Ego-Gier öffnen, um die unannehmbare Welt zu retten …

Despair

In Zeiten von Krisen greifen Kunstschaffende bevorzugt auf religiöse Motive zurück, um das unermessliche Leiden in der Welt zum Ausdruck zu bringen. So veranschaulicht die durchaus expressionistische Figurengruppe „Pieta“ mit dem modernen Titel. Despair, die Verzweiflung und Hilflosigkeit, ja den vehementen Aufschrei, und sie stellt die Frage nach dem WARUM der Selbstzerstörung des Wertvollsten was uns geschenkt wurde. Das Wertvollste ist unser Planet, unser Lebensraum, unser Leben – alles wird durch den Klimawandel bedroht. Die Skulptur soll zudem das unbändige Aufbäumen gegen die widrigen Umstände ausdrücken – als Aufforderung endlich disruptiv aktiv zu werden.

Dr. Bärbel Manitz